Russkij Chleb - Russisches Brot
1989
Inhalt
Der zweiteilige Dokumentarfilm „Russkij Chleb – Russisches Brot“ steht im Kontext von Voitl und Guggenbergers Interesse am Thema Landwirtschaft. Ein Jahr vor dem damals noch nicht vorhersehbaren Zusammenbruch der UdSSR, entschlossen sie sich, das kollektive- und staatlich gelenkte Landwirtschaftssystem der UdSSR zu dokumentieren. Dieses hatte sich seit Breschnew zu einer industrialisierten Form mit „Mechanisierung“ und „Chemisierung“ und steigendem Einsatz von Landmaschinen, Pestiziden und Düngermittel entwickelt. Die Böden erodierten und verdichteten sich zunehmend. Die Initiative der „Lenin-Allunionsakademie für Landwirtschaftswissenschaften“ eine Modernisierung nach dem Vorbild der „Grünen Revolution“ einzuleiten, scheiterte.
Ohne direkte Vergleiche mit dem Konfliktpotential „Konventionelle, chemisch-technische Landwirtschaft versus Biologische Landwirtschaft“ in Österreich anzustellen, war der Blick auf den „Neustart“ einer Agrarpolitik in der UdSSR, auch der Blick auf gesellschaftliche, soziale, kulturelle und politische Veränderungen im größten Land der Erde.
Voitl und Guggenberger hatten das Glück für ihr Projekt Anatol I. Strelianyi als Mitarbeiter zu gewinnen. Er war Schriftsteller, Autor und Journalist, sowie Vizepräsident des sowjetischen PEN-Clubs. Seine außergewöhnliche Begabung in Gesprächen mit Menschen Wesentliches zu erfassen, öffnete einen seltenen Einblick in die russische Gesellschaft. „Wer wird uns ernähren? Der Staat als Eigentümer des Bodens, also die Kolchosen und Sowchosen, oder wird uns der richtige Privatbauer ernähren?“, fragte er.
Folge 1: 10.11.1989, 60 min.
“Russkij Chleb - Russisches Brot",
26.6.1990 Wiederholung
Der Film lässt die furchtbaren Ereignisse der sowjetischen Agrarpolitik Revue passieren, Stalins „Ent-Kulakisierung“ und die durch ihn verursachte Hungersnot, die hunderttausenden Bauern in der Ukraine das Leben kostete. 1989 spielt der Begriff Demokratie in der Sowjetunion bereits eine Rolle und verortet sich zwischen der „Fassaden-Demokratie“ der staatlichen Macht und den Vorstellungen einfacher Menschen. Eine Frau: „Was ich unter Demokratie verstehe? Wenn jemand ins Geschäft gehen kann und es gibt dort alles“. Strelianyi: „Das ist also Demokratie?“ Frau: “Ja, ich weiß nicht, wie ich's sonst sagen soll.“
Folge 2: 17.11.1989, 60 min.
“Russkij Chleb - Russisches Brot"
27.6.1990 Wiederholung
Der Film zeigt, wie man in Russland und den GUS-Staaten das staatliche Plan- und Zentralwirtschaftssystem in der Landwirtschaft überwinden möchte: Es darf wieder private Landwirtschaft betrieben werden. Land und Hof werden an Familien übergeben, die als selbständige Bauern wirtschaften wollen. Mehr und mehr keimt der Wunsch, den historischen Fehler der Kollektivierung der Landwirtschaft zu korrigieren. Aber die Mauern der Politik und Bürokratie bröckeln nur langsam. Nur zögernd beginnen die Menschen, offen und frei zu sprechen. Der Schatten Stalins liegt noch immer über dem russischen Land und will nur langsam weichen.
Credits
Fotos
Video
Presse
ORF Presseinfo; 19891110 Kronenzeitung, 19891110 Kurier;
19891119 Kronenzeitung, 19891122 St. Pöltner Kirchenzeitung, 19900626 Arbeiterzeitung, Presse Page;
Auszeichnung
1990 Fernsehpreis der Erwachsenenbildung, Wien
Weiterführende Notizen
Was geschah in den vergangenen 70 Jahren der landwirtschaftlichen Kollektivierung? Wo steht 1989 die Landwirtschaft der UdSSR? Und wie soll es weitergehen? Diese Fragen versucht "Russkij Chleb - Russisches Brot" zu beantworten. Bei den Antworten der Menschen am Lande, vom Traktoristen bis hinauf zum Kolchosvorsitzenden, kommt mit großer Klarheit die ganze Problematik und Misere der sowjetischen Landwirtschaft zum Vorschein. Einblick in die Dimension des Themas und Problems ermöglichte Anatol Strelianyi. Er war der Garant, dass die Behandlung des Themas weit über die Perspektive westlicher Journalisten hinausging. "Hätten die Bauern in Österreich, in Amerika oder Kanada unter so harten und schweren Bedingungen einer 70-jährigen Unterdrückung gearbeitet, wie wir in Russland, dann wären Amerika, Kanada und Österreich heute noch hungriger als die Menschen der Sowjetunion,“ sagt Wassillj Starodubtzew. Er war der Vorsitzende einer der erfolgreichsten Kolchosen der UdSSR und schwärmte von den Erfolgen der kollektiven-und staatlich gelenkten Landwirtschaft. Doch 1989 ist die Kolchos- und Sowchos-Landwirtschaft der UdSSR längst in der Krise. Michail S. Gorbatschow erklärt die Lösung des Problems zum wichtigsten Anliegen seiner Wirtschaftspolitik. Denn die Nahrungsmittelversorgung könnte für Gorbatschows Perestroika zum Prüfstein werden.
Beide Filme wurden auch im Sowjetischen Fernsehen Gosteleradio ausgestrahlt.